Einer der besten Kenner des Werks von Thomas Mann hat einmal gesagt, »dass auf lange Sicht das Ansehen Thomas Manns sicherer und dauernder in dem halben Dutzend Meistererzählungen begründet ist als im knappen Dutzend seiner Romane«. Das mag man bezweifeln; aber sicher ist, dass einige Novellen zum Besten gehören, was die deutsche Literatur im 20. Jahrhundert zu bieten hatte. Dazu zählt "Der Tod in Venedig"; damit beginnt das, was man »Klassische Moderne« genannt hat. Eine Künstlertragödie – zugleich aber auch ein (gescheiterter) Versuch, der Dekadenz-Stimmung des Frühwerks zu entkommen. Im Hintergrund stehen Thomas Manns Nietzsche-Lektüre, aber auch ein Liebeserlebnis Goethes sowie Thomas Manns Beschäftigung mit Goethes "Faust", der wohl das Vorbild für Aschenbachs Reise in seinen Untergang geliefert hat. Nicht zu übersehen sind die Kritik am Wilhelminismus (der Held der Erzählung lebt aus der puritanisch-soldatischen Tradition seiner Zeit) und das psychoanalytische Interesse Thomas Manns am »Künstler«. – Mit "Mario und der Zauberer", das »heute als ein Hauptwerk Thomas Manns« gilt, hat Thomas Mann eine politische Novelle geschrieben, die wie kaum eine andere Erzählung das Aufkommen des Faschismus zum Thema hat; sie liefert, so hat man gesagt, eine »Psychologie des Faschismus«. Die Novelle beinhaltet aber auch Thomas Manns Auseinandersetzung mit Wagner und (in der Nachfolge Freuds, Hendrik de Mans und Le Bons) eine Stellungnahme zur Frage des Verhältnisses von »Führer« und »Masse« des Volks. – Die indische Legende "Die vertauschten Köpfe" enthält viel von Thomas Manns eigenem Verhältnis zu Schein und Realität; aber auch einiges zum lebenslangen Thema von Vertauschung, Tausch und Liebestausch. Die Erzählung spiegelt indirekt zugleich Thomas Manns Dasein im kalifornischen Exil. – "Die Betrogene" schließlich nimmt das Eros-Thanatos-Thema des "Tod in Venedig" wieder auf. Die Novelle enthält zugleich Thomas Manns scharfe Kritik an dem Amerika, das er erlebt hat.
Das Kompakt-Seminar findet (als Proseminar bzw. Hauptseminar) in den Häusern der Kurt Bösch-Stiftung in Sion (Kanton Wallis) statt. Die Kosten belaufen sich einschließlich der sehr geringen Übernachtungsgebühren, der Verpflegungskosten und dem, was an Transportkosten anfällt, auf etwa 120 €. An einem Tag ist (im Preis eingeschlossen) ein Ausflug ins Schweizer Hochgebirge geplant, eventuell auch ein Besuch des Rilke-Grabes in Raron oder der diesjährigen Kunstausstellung in Martigny. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
Anmeldung: ab sofort bis 05. April per E-Mail an helmut.koopmann@philhist.uni-augsburg.de
Eine Vorbesprechung findet spätestens zu Beginn des Sommersemesters statt, das Datum wird den Teilnehmern rechtzeitig genannt. Die Universität verlangt pro Teilnehmer eine Vorauszahlung in Höhe von 10 €. Näheres in der Vorbesprechung oder auf Anfrage.
Anmelderegeln
Diese Veranstaltung gehört zum Anmeldeset "Anmeldung gesperrt (global)".
