Seit jeher gehört der Gedanke, einen Menschen unter Umgehung des Geschlechtaktes künstlich herstellen zu können, zu den menschlichen Wunschträumen. Dahinter steht der Schöpfer- und Erfinderdrang des Menschen, sein intellektueller Ehrgeiz, den Zeugungsakt durch einen geistigen und künstlerischen zu ersetzen, aber auch sein Herrschaftsdenken, das sich im künstlichen Menschen einen Diener und Gehilfen zu erschaffen sucht. Bereits in der Literatur der Antike findet sich der durch einen künstlerischen Prozess dem natürlichen Vorbild nachgebildete Androide, der im Verlauf der Literaturgeschichte eine Vielzahl von literarischen Verwandten erhält – von Menschen oder übernatürlichen Wesen geschaffene Maschinen, außer Kontrolle geratene, furchterregende Roboter, die gegen ihre Erbauer vorgehen, Automaten mit höherer Intelligenz als ihre Schöpfer, Marionetten, Homunculi, Golems, Cyborgs ...
Anhand verschiedener repräsentativer Textbeispiele von der Romantik bis zur Gegenwart (sowie einzelner Filmbeispiele) untersuchen wir im Seminar die Variationen der literarischen Figur des künstlichen Menschen und dessen motivgeschichtliche Entwicklung. Während im 18. Jh. noch häufig der Glaube an die Macht des künstlerischen Schöpfertums auftritt, wird der künstliche Mensch in der Literatur der Wende zum 19. Jh. zunehmend als Gleichnis für die eigene marionetten- und automatenhafte Situation begriffen. Phantastische Erzählungen wie E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" (1817) zeigen die zerstörerische Wirkung des Kunstprodukts auf den Menschen und in Mary Shelleys "Frankenstein or The Modern Prometheus" (1831) offenbart sich das Motiv der Angst vor der Überwältigung des Schöpfers durch sein Geschöpf. Dieses Motiv setzt sich fort bei den menschenähnlichen Tieren in H.G. Wells "The Island of Dr. Moreau "(1896) oder den als Versuchsobjekte dienenden Gefangenen in Adolfo Bioy Casares‘ Roman "Plan de Evasión / Fluchtplan" (1945). Dies führt bis zur Cyborg-Thematik in der utopisch-dystopischen bzw. Science Fiction Literatur des 20. Jh. wie in Marge Piercys kritischer Dystopie" He, She and It "(1991) oder zur Frage nach dem Verhältnis von Mensch und künstlicher Intelligenz in der zeitgenössischen TV-Serie "Westworld". Die dieser Thematik inhärente Frage nach dem Verhältnis von Geschöpf und Schöpfer mündet dabei in modernen Fragen nach den Folgen einer aus fortschreitender Technik resultierenden Automatisierung des Menschen sowie nach der Ethik und Verantwortung der Erfinder.
Anmelderegeln
Diese Veranstaltung gehört zum Anmeldeset "Anmeldephase WS 2021/22".
Folgende Regeln gelten für die Anmeldung:
Die Anmeldung ist möglich von 06.09.2021, 00:00 bis 11.10.2021, 23:59.
Anmeldemodus
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