Dürrenmatt und Frisch waren nur scheinbar Schweizer Außenseiter im deutschen Literaturbetrieb in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts − tatsächlich haben sie die deutschsprachige Literatur nachdrücklich mitbestimmt, haben „politisches Theater“ geschrieben, als das in Deutschland noch weitgehend ein Tabu war; sie haben, wie Dürrenmatt in „Der Tunnel“, „das Schreckliche hinter den Kulissen“ (Reich-Ranicki) gesehen, haben, wie Frisch in „Stiller“, Frage nach der eigenen Identität gestellt: Untersuchungssituationen bestimmen immer wieder das Werk beider Autoren. Der gutbürgerlichen Selbstsicherheit der noch jungen Bundesrepublik wurden die Masken abgerissen, den Mitläufern wurde der Prozeß gemacht. Umkehrungen und Rollentausch waren die Mittel, mit deren Hilfe die Schweizer Autoren die Selbstzerstörung der bürgerlichen Welt sichtbar machen wollten. Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ und „Andorra“, Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ und „Die Physiker“ zeigen aber auch, wie Gerechtigkeit, Rache und Verbrechen einander durchdringen. Hinter allem werden oft mythische, archetypische Muster deutlich: Odysseus, Ödipus, Medea, Antigone, Apokalypse und Jüngstes Gericht. Dürrenmatt wollte nichts weniger als „Welttheater“ inszenieren, Frisch wollte ein parabolisches Theater und schrieb: „Die Welt, je realistischer man sie betrachtet, erscheint als die Folge einer Legende“ (Tagebuch 1946-49).
In den fünfziger Jahren waren Dürrenmatt und Frisch die mit Abstand am meisten gespielten deutschsprachigen Dramatiker. Frisch hat mit „Montauk“ aber auch die Wende zur Ich-Literatur der siebziger Jahre eingeleitet, Dürrenmatt hat mit seiner Rede auf Václav Havel, „Die Schweiz − ein Gefängnis“, die Zeitkritik der fünfziger Jahre noch gesteigert. „Wird Dürrenmatt denn noch gespielt?“, fragte er selbstkritisch 1980 in „Dichterdämmerung“. Nicht mehr so sehr − aber gelesen wird er in Sion. Im übrigen hat Dürrenmatt wunderbare Kriminalromane verfaßt.
Auf der Hinfahrt soll evtl. das Centre Dürrenmatt in Neuchâtel besucht werden, also Dürrenmatts Wohnhaus, wo viele seiner Bilder ausgestellt sind.
Das Seminar (als Proseminar oder auch als Hauptseminar anzurechnen, je nach dem Status der Studierenden) findet in den Häusern der Kurt Bösch-Stiftung in Sion (Kanton Wallis) statt. Die Kosten belaufen sich (einschließlich der sehr geringen Übernachtungsgebühren, der Verpflegungskosten [Selbstverpflegung!] und dem, was für den Transport an Benzinkosten anfällt, auf etwa 120.- bis (maximal) 130.- Euro. Die Universität verlangt pro Teilnehmer eine Vorauszahlung in Höhe von 10 Euro bis zum 4. April 2022. (Einzelheiten dazu später).
An einem Tag ist ein Ausflug ins Schweizer Hochgebirge ist geplant, auch ein Besuch des Rilke-Grabs in Raron.
Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
Anmeldung: ab sofort per E-Mail an:
helmut.koopmann@philhist.uni-augsburg.de
Eine Vorbesprechung findet zu Beginn des Sommersemesters statt; das Datum wird rechtzeitig genannt.
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