Der neuzeitliche Empirismus und die moderne empirische Psychologie fassen seelische Akte zumeist vom Standpunkt des äußeren Beobachters als psychische Ereignisse auf, deren Eigenschaften und Ursachen sich empirisch beschreiben und kausal erklären lassen. Die klassische Philosophie dagegen reflektiert seelische Akte meist aus der inneren Perspektive des betreffenden Akteurs selbst als intentionale Leistungen, in denen ein Lebewesen wesentlich sein Leben vollzieht. In seiner Schrift Über die Seele führt Aristoteles die Ansätze der physischen Beschreibung und der intentionalen Reflexion zusammen, entwickelt einschlägige Methoden zur Analyse intentionaler Akte und schafft damit die Grundlage für eine jede Diskussion, die sich um ein adäquates Verständnis von Leben in seinen diversen vegetativen, sinnlichen und geistigen Vollzugformen bemüht. Die aristotelischen Konzeptionen prägen nicht nur die klassische Philosophie der Antike und des Mittelalters, sondern gewinnen über moderne Autoren wie Brentano, Husserl und Frege auch heute wieder zunehmend Einfluss auf die moderne Diskussion. Das Hauptseminar bietet Gelegenheit, einschlägige Texte zur Schlüsselthemen der aristotelischen Psychologie in ihrer klassischen Gestalt bei Aristoteles und Thomas von Aquin gemeinsam durchzusehen und die dort angesprochenen Sachfragen kritisch zu diskutieren. – Griechische und lateinische Sprachkenntnisse sind hilfreich, aber keine Bedingung für die Teilnahme. Die Textauszüge werden zu Beginn des Seminars zur Verfügung gestellt.